Im Gespräch mit Matthias Leyh, Geschäftsführer der LEYH-Lebensmittel-Großhandel GmbH in Ostheim
„Wir habe es mit Schwierigkeiten und Anforderungen zu tun, wie wir sie noch nie erlebt haben“
Die unternehmerische Geschichte der LEYH-Lebensmittel-Großhandel GmbH geht bis auf das Jahr 1926 zurück. Zu diesem Zeitpunkt gründete Hermann Leyh in Ostheim vor der Rhön einen Warenhandel mit Milchprodukten. In vier Jahren kann das Familienunternehmen, das von Matthias Leyh geleitet wird, also sein 100-jähriges Firmenjubiläum feiern. Leyh ist stolz auf dieses kommende Ereignis, das ja auch dokumentiert, dass sich sein Familienbetrieb – trotz großer Krisen, Kriege und Veränderungen in den zurückliegenden 10 Jahrzehnten – immer weiterentwickelt hat und kontinuierlich wachsen konnte. Aber angesichts der derzeitigen Gesamtlage betont er im Gespräch vor allem die massive Ballung von Unwägbarkeiten, Risiken und offenen Fragen, die sein derzeitiges Alltagsgeschäft und unternehmerisches Handeln prägen: „Unter Corona haben wir schmerzlich erleben und lernen müssen, wie schnell sich scheinbar etablierte und sichere Verhältnisse ins Gegenteil umkehren. Danach hat sich das gesamte Geschäft sicherlich wieder stabilisiert, aber die momentane Situation konfrontiert uns mit enormen Unsicherheiten. Und zwar in der ganzen Breite, also nicht nur teilweise. Wir haben es mit Schwierigkeiten zu tun, die so noch nie dagewesen sind. Es ist eine Art einer neuen Achterbahnfahrt, die vor allem von der Frage geprägt ist: Wo geht das alles noch hin, wenn weiterhin alles so preisgetrieben bleibt?“
„Für 2023 müssen wir uns wohl warm anziehen“
Entsprechend unkalkulierbar, so Leyh, sei für ihn eine valide Einschätzung, wohin und wie es demnächst weitergeht. Mit den Preisen, mit der Situation seiner Kunden, mit der Produktions- und Liefersicherheit, mit dem Konsumverhalten…Und in Richtung 2023 markiert er: „Ich bin der Meinung, dass wir uns diesbezüglich warm anziehen müssen. Schaut man sich etwa das derzeitige Auf-und-Ab, die Prognosen und dann die Ist-Zustände bei den Energiepreisen an, glaube ich, dass wir uns von der Politik zu stark blenden lassen. Dieser Zustand macht vernünftige Kalkulationen fast unmöglich. Gerade auch in unserer Branche, die energieintensiv ist. Da fällt man ja vom Glauben ab. Pendelt es sich wieder ein, oder nicht? Diese entscheidende Frage kann und will zurzeit wohl niemand beantworten. Es ist und bleibt wohl ein Glücksspiel, dem wir ausgesetzt sind.“
Am Ende der Preisspirale – negative Kettenreaktionen
Das Familienunternehmen Leyh hat zurzeit rund 25 Mitarbeiter und beliefert mit einer Flotte von 6 LKWs im Umkreis von 100 Kilometern seine Kundschaft in Hessen, Thüringen und Bayern – vor allem in der Rhön-Region und im Bereich des Thüringer Waldes. Die Kundenschwerpunkte liegen u.a. im Bereich Care, bei Eisdielen und bei Bäckerei-Filialisten. „Gerade bei den Bäckereien haben wir es derzeit mit sehr sportlichen Anforderungen zu tun. Hier liefern wir vor allem im Snackbereich. Diesbezüglich sind wir aber in einigen Fällen bereits an die preisliche Schmerzgrenze oder gar darüber hinaus geraten. Heißt: Etwa bei zwei Snackformaten sind wir am preislichen Endpunkt angekommen. Die Produkte sind rausgeflogen. Die derzeit drängende, aber auch zukünftige Frage wird sein: Wo liegt der Break-Even-Point – in diesem Segment und auch sonst? Diese Tatsache im Snackbereich verursacht dann auch gleich eine negative Kettenreaktion. Der Hersteller – hier im Bereich Käse – musste in Folge seine Produktion und seine Kapazitäten zurückfahren“, fasst Leyh zusammen.
Das Unternehmen operiert vor allem im ländlichen Raum. Leyh beschreibt dazu: „…in manchen Bereichen haben wir die Preisgrenzen, die noch akzeptiert werden, bereits erreicht oder gar überschritten. Etwa bei Saison-Geflügel. Im Gegensatz zur Spitzengastronomie in Großstädten kann hier eben nicht jeder Preis gefordert werden, der angebracht ist. Bestimmte Produkte fliegen dann plötzlich von der Karte…“
Verschärft wird die Gesamtsituation noch vom Faktor des Personalmangels. Entsprechend würden die Öffnungszeiten heruntergefahren. Eine nicht unwichtige Kundengruppe stellen für Leyh auch die Hüttenbetreiber in der Region dar: „Auch hier stellt sich die Frage, ob diese wegen der steigenden Energiekosten nun in den Herbst- oder Winterschlaf fallen, etwa ihre Betriebsferien vorziehen, sie also frühzeitiger als sonst den Stecker ziehen. Bleiben sie, oder wann und wie kommen sie zurück?“
Eiscafé-Betreiber und der gesamte Bereich Speiseeis stellen ebenfalls eine wichtige Säule im Gesamtgeschäft von Leyh dar. „Auch hier schwebt die Frage nach der Preisschwelle überdeutlich im Raum. Hier findet gerade auch ein Umdenken bei den Prozessen statt, um gerade Energie, aber auch andere Kosten einzusparen. Nicht wenige überlegen sich deshalb, demnächst auf halbfertige Produkte umzusteigen.“
„Wir segeln jeden Tag hart am Wind. Alles, was wir optimieren konnten, haben wir umgesetzt. Dazu gehörte auch die Modernisierung unserer Kühlanlage. Alle möglichen Stellschrauben wurden angezogen“, betont er abschließend. Dies alles wurde umgesetzt, um wie gehabt und weiterhin erfolgreich am Markt und in der Zukunft bestehen zu können. Wie in der fast 100-jährigen Erfolgsgeschichte des Familienbetriebs – durch alle Krisen, Klippen und Veränderungen. Sicherlich auch durch die aktuelle Situation hindurch, auch wenn diese außergewöhnlich fordernd – und von Fragen geprägt ist, die neu und schwieriger sind als in früheren Zeiten.