Zwischen Hoffen und Bangen: Die drohende Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen in der Gastronomie bewegt die gesamte Branche massiv
Nachgefragt: Persönliche Einschätzungen, Meinungen und Befürchtungen zu diesem drängenden Thema aus dem Kreis des TIFA-Aufsichtsrates
Rückblick: Ein Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, den Verzehr von Speisen in Restaurants dauerhaft mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent zu besteuern, fand am 21. September keine Mehrheit im Parlament.
In der Debatte hatte die CDU-Abgeordnete Anja Karliczek die Ampel-Regierung aufgefordert, für den Antrag zu stimmen – um deutlich zu machen, dass man die Gastronomiebranche in schwierigen Zeiten weiterhin unterstütze. Die Ampel-Regierung und die Regierungsfraktionen lasse die Gastronomen erneut im Stich. Die geforderte dauerhafte Entfristung der Umsatzsteuerermäßigung für Speisen in der Gastronomie wäre angesichts der steigenden Kosten für Lebensmittel, Energie sowie Gehälter und eines ohnehin margenschwachen Geschäfts überlebenswichtig für die Betriebe. Die Konsequenz werde sein, dass weitere Tausende Betriebe aufgeben werden müssen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fügte zu diesem Statement hinzu: „Nach Corona-, Energiepreis- und Lebensmittelpreis-Schock braucht die Gastronomie dauerhafte Entlastungen bei der Mehrwertsteuer und keinen Ampel-Steuer-Schock. Die Arroganz-Ampel handelt gegen den Mittelstand und die Gastronomie.“
Mit der Entwarnung „Kein Grund zur Panik…“ – informierte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband direkt nach der Entscheidung seine Mitglieder. Die DEHOGA-Erklärung hatte durchaus Berechtigung, da die Ablehnung des CDU-Antrages – gerade mit Hinweis auf die Steuerschätzung des Bundes im Herbst – zu erwarten war. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wies in einem persönlichen Schreiben an die Verbände ebenfalls auf diesen Sachverhalt hin: „Über eine mögliche Verlängerung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen wird jedoch erst im Rahmen der weiteren Beratungen über den Bundeshaushalt 2024, spätestens aber im Lichte der Steuerschätzung Ende Oktober, zu entscheiden sein.“
Die drohende Erhöhung bewegt die Branche weiterhin massiv. Die DEHOGA selbst, aber auch andere Marktakteure haben in den letzten Monaten umfangreiche, öffentliche Gegenkampagnen initiiert, die auf eine breite Resonanz in den Medien, in der Branche und in der Bevölkerung stießen. Die DEHOGA befürchtet bei einer Rückkehr zum bisherigen Mehrwertsteuersatz mehr als 12 000 Betriebsschließungen, Preissteigerungen von mehr als 15 Prozent, sinkende Umsätze und einen Abbau von Arbeitsplätzen.
Zwischen Hoffen und Bangen – liegen auch die Einschätzungen, Meinungen und Befürchtungen aus dem Kreis des TIFA-Aufsichtsrates, die wir zu diesem Thema aktuell abgefragt haben. Hier sind die Statements:
Andreas Kapp
„Ich glaube, dass die Mehrwertsteuererhöhung kommt. Aus verschiedenen Gründen, aber vor allem deshalb, weil unser Finanzminister Geld braucht… Ich halte dies für einen großen, nicht nachvollziehbaren Fehler, der sich destruktiv auswirkt. Konstruktiv und vernünftig wäre es stattdessen gewesen, wenn man die Chance genutzt hätte, eine generelle Mehrwertsteuerharmonisierung einzuleiten. Das derzeitige Durcheinander in der Besteuerung von Lebensmitteln ist nicht erklärbar. Die Mehrwertsteuererhöhung wird der Branche leider auf jeden Fall schaden. Es besteht die deutliche Gefahr, dass sich genügend Gäste abwenden, und ihre Gastro-Besuche, die ja auch eine Form des Zusatzvergnügens sind, reduzieren werden. Ich rate Gastronomiebetreibern, die drohenden Mehrkosten hälftig zu verteilen, also 50 Prozent auf den Endpreis aufzuschlagen und 50 Prozent selbst zu schultern. Dieser Kompromiss stellt m.E. eine Möglichkeit dar, eine noch akzeptierbare Preisbalance gegenüber den Gästen einzuhalten.
Anton Schmid
„Meine Einschätzung ist, dass in Sachen Mehrwertsteuererhöhung das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Ich vermute sogar: Sie kommt nicht. Die Bundesbürger sind mit der Ampel-Regierung äußerst unzufrieden. Für die Regierungsparteien waren die Wahlen in Hessen und Bayern verheerend. Ich glaube, sie können es nicht mehr wagen, die Unternehmen, Bürger und Verbraucher noch weiter zu belasten. Zudem auch: Die Gegenkampagne der DEHOGA hat für eine breite und auch medial wirksame Aufmerksamkeit zum Thema in der Öffentlichkeit gesorgt. Warten wir es ab. Aber ich bin zuversichtlich genug, dass es diesbezüglich auf den letzten Metern doch noch einen Entscheidungsumschwung geben kann.“
Andreas Geyer
„Ich denke, dass die Erhöhung zu 90 Prozent kommen wird. Vielleicht besteht noch eine kleine Chance, dass es doch noch ein Einlenken von Seiten der Politik geben wird. Wenn sie kommt, wäre es für die Gastronomie fatal. Die Kostenbelastungen und Probleme in der Branche sind ja sowieso schon extrem hoch und vielfältig. Ich befürchte eine Art Euro-Schock im Gastro-Sektor, wie sie bei der Währungsumstellung und in deren Folge feststellbar war. Für viele Gäste und Kunden wird die Schmerzgrenze ab Januar 2024 dann leider erreicht bzw. überschritten sein.“
Eric Lachenmaier
„Die derzeitige Regierung hat bisher m.E. wenig bis nichts richtig gemacht. Die geplante Mehrwertsteuererhöhung ist dafür nur noch ein weiteres negatives Beispiel. Mit ihr drohen weit mehr Nachteile, als davon irgendwelche Vorteile zu erwarten wären. Sie bremst den Aufschwung und die Stimmung in der Branche, wirkt nur hemmend und inflationstreibend. Statt den negativen Kreislauf zu stoppen, droht hiermit das Gegenteil. Eine Entscheidung zur positiven Wende würde anders aussehen… Ich hoffe immer noch, dass es nicht so kommt, aber diese Hoffnung ist wohl leider vergeblich.“
Rene Hertelt
„Ich bin der Meinung, dass die Erhöhung nicht kommen wird. Es hängt einfach zu viel dran. Die Gastronomie ist in vielfältiger Weise an der Belastungsgrenze, in der Branche brennt der Baum. Wenn sie kommt, werden wohl wieder einige Betriebe schließen. Ich befürchte, dabei werden vor allem mittelständische Unternehmen auf der Strecke bleiben – gerade auch im ländlichen Raum. Diese Betriebe haben grundsätzlich schon genügend andere Sorgen – etwa in der Rekrutierung von Personal, bezüglich der Kosten oder in Bezug auf die Nachfolge. Die Situation ist schon kritisch genug. Es ist zudem auch zu befürchten, dass bei weiteren Schließungen jene Anbieter, die am Markt bleiben, vielleicht sogar zu viel Zulauf von Gästen haben werden und entsprechend überfordert sind. So oder so – der Druck auf die Branche wird weiter erheblich erhöht, sie wird leider regelrecht verheizt. Jedem, der politisch verantwortlich ist, sollte klar sein, dass mit der Mehrwertsteuererhöhung nichts Positives zu erreichen ist. Sie sollte deshalb auch nicht umgesetzt werden.“
Lars Spitzer
„Das ist überhaupt nicht gut. Man sollte es von Regierungsseite aus besser unterlassen, aber es wird wohl kommen und der Branche deutlich schaden. Die Umsätze werden fallen, manche werden schließen müssen. Nach meiner Einschätzung wird dies vor allem negative Folgen für die Erlebnis- und Eventgastronomie haben. Die gehobene Gastronomie wird es kaum oder nicht bemerken.“